Close map
/ Bangkok - Singapur EXPRESS

Singapur

Singapur, 09. January 2018
I did it.
Nach zwei Jahren, im dritten Anlauf, kann ich den Punkt „Bangkok - Singapur mit Rad“ von meiner bucket list streichen.
Mit 52 Jahren genau das richtige Alter.
Doch 1.950 km waren nicht so anstrengend, wie die letzten 36km von Johor Bahru (Malaysia) nach Singapur. An der Grenze wurde ich knapp über drei Stunden geröstet. Im Schneckentempo zwischen hunderten Motorradfahrern, ich übertreibe nicht, die alle darauf warteten, nach Singapur einreisen zu dürfen. Es war die low class Spur. Kaum ein Tourist reist auf diese Weise ein, deshalb kam ich in den „Genuss“, diese menschenverachtende Tortur über mich ergehen zu lassen. Auf den Auto-, LKW- und Busspuren geht es relativ zügig, da darf ich aber mit Rad nicht durch. Die registrierten Malaysier, Billigarbeiter aus Johor, mit Arbeitserlaubnis haben ebenfalls eine eigene Abfertigung. Und dann gibt es noch eine Spur für die, welche nur einen Reisepass haben und zweirädrig einreisen wollen. Ich warte in dieser Schlange mit Menschen, die für Singapur das untere Ende der Nahrungskette bedeuten, denn für jede Stauzone in den anderen Klassen werden wechselweise zusätzliche Spuren geöffnet, um den Kollaps zu verhindern. Nur in unserer Reihe bewegt sich nichts. EIN Schalter, ein Beamter fertigt in aller Seelenruhe eine Kolonne von Hunderten ab. Und warum? Weil wir wurscht sind. Dem mondänen Stadtstaat, der ein gigantisches Gebäude in die Gegend stellt, das so wirkt, als wäre ein Schiff auf dem Dach gestrandet, schafft es nicht, die Einreise bei Woodlands Crossing so zu gestalten, dass man menschenwürdig einreisen kann. Menschenwürdig! Ja! Drei Stunden in der prallen, aufkeimenden Mittagssonne am 1. Breitengrad, eingepfercht zwischen hunderten Motorradfahrern, ohne Möglichkeit, eine Toilette aufzusuchen ist nicht ganz so menschenwürdig. Doch für mich ist es nur eine bizarre Erfahrung am Ende einer erfüllenden Reise, für diese Menschen, mit denen ich Richtung Abfertigung krieche, ist es der Alltag.
Und irgendwann reicht es auch dem Pöbel. In meiner letzten halben Stunde, ich bin wenige Meter vor dem Checkpoint, beginnt ein Hupkonzert, das ich in der Intensität noch nie erlebt habe. Die Hundertschaften tröten sich ihre Wut aus der Seele, denn regelmäßig werden andere Spuren geöffnet, um LKW- und Autoverkehr schneller abzufertigen. Wir bleiben die Spur der Vergessenen bis endlich diese gewaltige, wuterfüllte Kakophonie der Benachteiligung ein Ende setzt. Endlich werden auf der Seite die Abgrenzungen geöffnet. Wie bei einem Dammbruch strömen diese unzähligen Motorräder an mir vorbei Richtung neu geöffneter Checkpoints. Zu spät für mich, ich bin jetzt nur noch zwei Motorräder von der Einreise entfernt.
Zwei Stunden später stehe ich vor dem Marina Bay Sands inmitten der kapitalistischen Idylle und drücke nach vier Wochen den FINISH Button am GPS tracker und selbst nach diesem verheerenden Einreiseerlebnis überkommt mich eine Wehmut, die ich nicht in Worte fassen kann.
Danke an alle fürs Mitreisen und Mitlesen, an Ulli und Gerhard, meine Begleiter der ersten beiden Wochen und an alle da draußen, die diese Reise, dieses Abenteuer zu dem gemacht haben, was es schlussendlich war.
Und ganz besonders drücke ich den Menschen, der mich kennt wie keine Zweite auf dieser Welt, der mich vor ein paar Jahren - weil immer die Sehnsucht im Herzen, jedoch zögernd, ängstlich, kurz vor einer Umsetzung dieser Unternehmung den Schwanz einziehend - mit zwei Kinokarten überrascht hat. Die Dokumentation über einen jungen Weltumradler, der auch Bangkok - Singapur absolviert hatte, war die endgültige Initialzündung für diese Reise. Am Tag danach begann meine ernsthafte Planung.
Es schüttet gerade. Noch 3 km zurück zum Hotel. Ich pfeif jetzt auf die Regenmontur. Ich gönne mir den letzten Ritt dieser Reise im Tropenregen durch Singapur. Eine Fahrt im Dampfbad. So wie es jetzt gießt, komme ich dort waschelnass an. Es wird herrlich. Mein aus Bangkok vorgeschickter Koffer mit trockener Kleidung und Wintervlies erwartet mich bereits. Und los! Seid ihr schon einmal im strömenden, warmen Regen durch SO Asien geradelt?
Oft werde ich gefragt, ob man verrückt sein muss, das zu tun.
Nein, muss man nicht.
Man muss es nur lieben.

Singapore

That could interest you too

*